Pressemitteilung der bundesweiten Kampagne

Ab Donnerstag, den 03.12.2020, werden fünf damals unter 18-jährige vor dem Hamburger Landgericht wegen der Teilnahme an einer Demonstration im Zuge der Proteste gegen den G20- Gipfel 2017 in Hamburg vor Gericht gestellt. Bundesweit zeigten deshalb letztes Wochenende hunderte Menschen in 15 Städten ihre Solidarität mit den Angeklagten und protestierten gegen staatliche Repression. Zum Protest aufgerufen hatte die Kampagne Gemeinschaftlicher Widerstand, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Betroffenen der sog. Rondenbarg-Verfahren zu unterstützen und auf die Bedeutung des Prozesses für die Zukunft der Versammlungsfreiheit hinzuweisen.

Andrea Schmitt von der Kampagne Gemeinschaftlicher Widerstand zu den Protesten am Wochenende: „2017 waren wir zusammen wegen des G20-Gipfels in Hamburg. Wir waren aus guten Gründen da. Wir wollten uns wehren gegen die weitere Zurichtung der Welt nach kapitalistischem Muster. Wir wussten auch, dass unsere Forderungen von Seiten der Staatsmacht nicht unwidersprochen bleiben werden. Wir alle kennen Repression. Viele von uns werden auch über drei Jahre nach den Ereignissen in Hamburg immer noch von Polizei und Justiz belästigt. Am dritten Dezember beginnt in Hamburg ein weiteres Verfahren gegen fünf damals Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Mehr nicht. Das Urteil in dem Verfahren wird auch entscheidend dafür sein, wie politische Auseinandersetzungen im öffentlichen Raum zukünftig noch geführt werden können. Gerade die vergangenen Monate waren von tiefen Repressionsschlägen gegen linke Bewegungen gezeichnet. Da wir wissen, dass wir alle gemeint sind, sagen wir: “Unsere Solidarität gegen ihre Repression!” Wir haben gezeigt, dass wir uns von staatlicher Repression nicht einschüchtern lassen, sondern unseren Protest auch weiterhin auf die Straße tragen werden, so wie wir es auch nach dem G20-Gipfel in Hamburg gemacht haben.“

Zum Hintergrund: Im Juli 2017 fand der G20-Gipfel in Hamburg statt. Zehntausende haben dies zum Anlass genommen, um gegen die kapitalistischen Verhältnisse zu protestieren. Dabei haben sie sich weder von Verbotszonen noch von massiver Polizeigewalt abschrecken lassen. Am 06.07.2017 wurde auf der Straße „Rondenbarg“ in Hamburg ein Demonstrationszug durch Bundespolizeieinheiten zerschlagen. Durch den Angriff wurden viele Demonstrierende verletzt, 14 von ihnen schwer. Wegen Teilnahme an der Demonstration sind über 80 Personen in mehreren Verfahrensgruppen angeklagt. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem schwerer Landfriedensbruch, Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung und Bildung bewaffneter Gruppen. Mehrjährige Haftstrafen sind angedroht. Der Prozess gegen die fünf Angeklagten beginnt um 10:30 Uhr im Landgericht Hamburg unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Davor wird es, wie zu allen Prozesstagen, eine Kundgebung geben.

Beginn ist ab 09:30 Uhr am Sievekingplatz 3. Für den darauffolgenden Samstag, den 05.12.2020, ruft die Kampagne Gemeinschaftlicher Widerstand zu einer bundesweiten Demonstration in Hamburg auf. Beginn ist 16:00 Uhr am Hauptbahnhof. Am 13.12.2020 wird es in Bonn eine Demonstration zum Rondenbarg-Prozess und der sonstigen momentanen Repression geben. Beginn ist 15:00 Uhr am Frankenbadplatz.

Weitere Informationen unter: gemeinschaftlich.noblogs.org

Kontakt: gemeinschaftlich@riseup.netAusführliche

Zusammenfassung zu den einzelnen Aktivitäten:

MÜNCHEN:

Bereits am Freitagabend demonstrierten in München über 300 Menschen zum bayerischen Innenministerium. Organisiert hatte die Demonstration ein Bündnis aus Münchner Gruppen und Aktivist*innen. „Es geht bei diesen Prozessen um nichts weniger als das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit”, sagt Olivia Kölle von der Münchner Ortsgruppe der Roten Hilfe e. V. “Sollte sich die Rechtsauffassung der Hamburger Staatsanwaltschaft durchsetzen, wäre künftig jede Teilnahme an einer Demonstration mit hohen Kriminalisierungsrisiken verbunden.“ In Redebeiträgen und persönlichen Berichten sprachen Aktivist*innen eindrücklich von der erlebten Gewalt sowie der staatlichen Repression vor, nach und während der Gipfeltage in Hamburg im Sommer 2017. Wie damals in Hamburg ging das Sicherheitsrisiko bei der Demonstration gestern nicht von den Demonstrierenden sondern von der Polizei aus. Die eingesetzten Kräfte begleiteten die Spitze der Demonstration in einem “Wanderkessel” und verhinderten so, dass Teilnehmer*innen die nötigen Abstände einhalten konnten. „Repression soll einschüchtern und abschrecken, was sich gestern jedoch wieder einmal gezeigt hat war, dass der Druck, den die Sicherheitsbehörden auf uns ausüben, nur dazu führt, dass wir enger zusammenrücken und füreinander da sind. Diese gelebte Solidarität führt immer wieder dazu, dass wir gestärkt aus solchen Situationen herausgehen“ fasst Olivia Kölle die Ereignisse auf der Demonstration zusammen.

STUTTGART:

In Stuttgart versammelten sich ca. 60 Menschen auf dem Schlossplatz. Neben dem anstehenden Rondenbarg-Pilotverfahren wurde die Repression gegen die antifaschistische Bewegung thematisiert und momentane Repressionsverschärfungen in einen gesellschaftlichen Kontexteingeordnet. Ergänzt wurde das ganze durch eine Videoinstallation, die Polizeigewalt, für niemanden leugbar, zeigte und einer Infowand, die genauer auf die Hintergründe der Inhaftierung zweier Antifaschisten aus dem Raum Stuttgart einging. Deutlich wurde mit der Kundgebung gezeigt, dass wir uns als linke Bewegung in Stuttgart nicht einschüchtern lassen und gemeinsam Repression entgegnen werden.

KIEL:

In Kiel wurde eine Spontandemonstration mit knapp 50 Teilnehmenden unter massivem Pfeffersprayeinsatz gestoppt. Dass eine Demonstration, die sich gegen die Repression infolge einer während der G20-Proteste mit massiver Polizeigewalt massakrierten Demo richtete, durch die Polizei für Kieler Verhältnisse ungewohnt gewalttätig abgebrochen wurde, ist die bezeichnende Ironie des Tages. Zumindest vorher konnte jedoch auch in Kiel eine kraftvolle und im Vorweihnachtstrubel in der Innenstadt viel beachtete Botschaft der Solidarität an die Betroffenen der Rondenbarg-Prozesse gesendet werden. Auf verteilten Flugblättern stand zu lesen: „Wir stehen an der Seite derer, die nun stellvertretend für uns alle, die gegen die G20 auf die Straße gewesen sind, auf der Anklagebank sitzen. Wir stehen an der Seite von allen, die gegen den Kapitalismus und seine Verbrechen aufbegehren und für eine lebenswerte Zukunft streiten. Herzliche solidarische Grüße schicken wir auch an unsere Genoss*innen Lina, Dy und Jo, die derzeit in Leipzig und Stuttgart in U-Haft sitzen, weil sie antifaschistischen Widerstand gegen Neo-Faschist*innen organisiert haben sollen.“

BRAUNSCHWEIG:

In Braunschweig trafen sich am Samstag rund 70 Aktivist*innen vor dem Braunschweiger Landgericht. Eine Spontandemonstration wurde von der Polizei unterbunden. Eine Sprecherin des Antifaschistischen Plenums, Emma Eichsfeldt, sagt dazu: “Die heutigen Proteste waren unbestreitbar ein wichtiges Zeichen um deutlich zu machen, dass wir uns solidarisch mit allen Aktivist*innen der G20 Proteste zeigen und gemeinsam gegen die immer stärker werdende Repression politischer Kämpfe stehen! Dabei war es bereits zu erwarten, dass die Bullen sich gegen diese Proteste stellen und versuchen die spontane Demonstration vom Landgericht durch die Innenstadt zu unterbinden. Auch wenn wir heute daran gehindert wurden, unseren Protest auf die Straße zu tragen, haben wir mit den vielfältigen Redebeiträgen erreicht, dass die G20 Proteste in Hamburg vor drei Jahren nicht in Vergessenheit geraten sind und konnten auf die anstehenden Massenprozesse aufmerksam machen.”

KÖLN:

In Köln waren knapp 100 Menschen auf einer Kundgebung in der Innenstadt, nachdem Aktivist*innen in den letzten Wochen mit verschiedenen Mitteln ihre Solidarität mit den Angeklagten der G20-Prozesse praktisch werden ließen. In einem Redebeitrag wurde klargemacht: „Unseren Gegenentwurf für eine solidarische Gesellschaft können wir ohnehin nur gegen und nicht mit diesem Staat organisieren. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass unser Protest und Widerstand sich nicht an den Gesetzen dieses Staates orientiert und ungehorsam und selbstbestimmt von unten organisiert wird!”

HEIDELBERG:

In Heidelberg wurden ab 15:00 Uhr auf einer Kundgebung mehrere Redebeiträge und Solidaritätserklärungen verlesen, die von vielen interessierten Passant*innen wahrgenommen wurde, die oftmals für einige Minuten stehenblieben, um die Redebeiträge zu hören. An einen Informationstisch waren Flugblätter und Broschüren zum Thema erhältlich, was rege in Anspruch genommen wurde. Die Organisator*innen zur Kundgebung: “Die Aktion war ein wichtiges Signal der Solidarität mit den Betroffenen, aber sie war erst der Auftakt. In den nächsten Monaten werden wir weiterhin aktiv an ihrer Seite stehen, denn wie immer gilt: getroffen hat es wenige – gemeint sind wir alle. Solidarität ist unsere Waffe!”

BERLIN:

In Berlin nahmen ca. 750 Menschen an einer Demonstration teil. „Heute sind viele Menschen auf die Straße gegangen, um gemeinsam gegen Repression zu protestieren“, so eine Teilnehmerin der Berliner Demonstration. „Vor allem, dass in den vielfältigen Redebeiträgen deutlich gemacht wurde, dass Repression viele Gesichter hat, dass Menschen, die sich gegen steigende Mieten, Rechtsruck, Krieg, Militarismus und Umweltzerstörung einsetzen – egal ob zum G20 oder aktuell im Dannenröder Forst -, mit Repression konfrontiert sind. Wir haben heute aber gezeigt, dass wir niemanden alleine lassen. Weder die fünf, die ab Donnerstag vor Gericht stehen werden, noch alle anderen.“

Am Samstag fanden zudem vier Kundgebungen in Hamburg statt. Weitere Aktivitäten gab es in Freiburg, Marburg, Münster, Göttingen, Regensburg und Tübingen. Außerdem wurde auf einer Solidaritätsdemonstration mit Antifaschist*innen in Basel, die sich bald vor Gericht verantworten müssen, eine Grußbotschaft der Kampagne Gemeinschaftlicher Widerstand verlesen.